Kalifornien: Modeshooting mit Skatern am Venice Beach

2022-06-25 05:33:03 By : Ms. Sharon Xu

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24. Juni 2022 · Dieser Strand bedeutet Freiheit. Wir nehmen uns die Freiheit, die kalifornische Sehnsucht ins Bild zu setzen. Modeshooting mit Skatern an einem ikonischen Ort.

Am Wochenende sieht die Strandpromenade von Venice Beach aus wie ein audiovisuelles Wimmelbild, eingerahmt vom Meer, dem Versprechen ganzjähriger Sonne und den sehr langen, sehr dünnen Palmen, wie sie für Los Angeles typisch sind. Rund um den Beachwalk mit seinen Sportanlagen und bunten Verkaufsplätzen, die sich fast bis zum Vergnügungspark von Santa Monica ziehen, treiben sich Musiker, Körperkultler, Straßenkünstler, Kleinganoven, Touristen herum – und all die Angelenos, die hier eine Art zweites Wohnzimmer gefunden haben.

Das Herz dieser Szenerie ist der Skatepark. Schon aus der Ferne sieht man, wie kleine Punkte in die Luft abheben, und man hört, wie sie im Steilflug durch die Kurven der tiefen Becken brausen. Die Geräusche der rollenden Bretter und das Klacken, wenn sie nach einem kurzen Flug wieder auf dem Boden aufsetzen, fügen sich als Dauertonspur in die Kulisse ein. So wie die lauten Sounds, die nebenan von der Rollschuhdisko herüberschallen. Die Rollerskater, die wie lebendige Kreisel Pirouetten drehen oder auf ihren Rollen gleiten, als gäbe es den Boden unter ihnen nicht, ziehen auch viel Publikum an.

Los Angeles ist für Autos gemacht, nicht für den Menschen. Fußgänger sind ein seltener Anblick an und auf den Straßen. Die Milieus bleiben unter sich, Orte der Begegnungen gibt es kaum. Eine seltene Ausnahme ist Venice Beach, eine der wenigen Ecken der Stadt, in der sich Menschen verschiedener Herkunft begegnen und bewegen. Wer an diesem kalifornischen Sehnsuchtsort durch die Gegend düst, wird Teil des flirrenden Spektakels, das Venice Beach zu einem lebendigen Ort des Sehens und Gesehenwerdens macht. Sie alle sind ein eklektischer, exzentrischer, exaltierter Haufen von Selbstdarstellern, und Venice Beach ist ihre Bühne.

Das hat Tradition. Filmaufnahmen von stylishen Rollerskatern aus den späten Siebzigern und Achtzigern zeigen, wie sie schon damals am sonnigen Strand ihre Bahnen drehten, als es rund um den Strandabschnitt noch nicht so gentrifiziert zuging wie heute, als Venice Beach noch „der Slum am Strand“ genannt wurde. Skateboarden hat in Kalifornien seine Wurzeln. Surfer, die auch bei schlechtem Wellengang üben wollten, schnallten sich Rollen unter ihre Bretter und fuhren in leeren Schwimmbecken in Strandnähe. In Venice Beach sind viele Skater überzeugt, dass das Skateboarden genau hier erfunden wurde. Auch wenn die Meinungen auseinandergehen: Venice Beach gilt als Synonym für die kalifornische Skaterkultur. Und über Musikvideos, Videospiele und Dokumentationen wurde der Strand auch in der Popkultur zu dem ikonischen Ort, der Selbstdarsteller und Schaulustige anlockt. Venice Beach, das steht für Freiheit, Adrenalin, Sonne, Strand, Subkultur und Gemeinschaft.

Im Skatepark, der in seiner aktuellen Form seit 2009 besteht, findet man Skater wie den 21 Jahre alten Ben meistens mehrmals in der Woche. Über das Skaten hat er viele Freunde gefunden. Für ihn hat der Ort eine besondere Energie. „Es ist ganz egal, wer du bist oder wo du herkommst, die Gemeinschaft ist divers und offen zu allen Menschen“, sagt er. „Jeder ist hier für jeden da.“ Was das bedeutet, kann man an einer Szene gut beobachten. Ein etwa fünf Jahre altes Kind hat sich einen Helm aufgesetzt und Schoner an Knie und Ellenbogen geschnallt. Mit dem Brett steht es an einem der größeren Becken, traut sich allerdings noch nicht ganz. Von den umstehenden älteren Skateboardern wird das Kind angefeuert. Es zögert, entscheidet sich weinend vorerst dagegen – und bekommt trotzdem von allen Applaus.

Nebenan auf der Rollschuhbahn beschreibt Goopy das ähnlich. Die Dreiundzwanzigjährige hat erst während der Corona-Pandemie angefangen, Rollschuh zu laufen, fand in Venice Beach aber gleich eine Heimat. Von den Erfahrenen, die hier teils schon seit den Achtzigern skaten, konnte sie profitieren. „Die Älteren bringen den Jüngeren etwas bei und auch mal umgekehrt“, sagt sie. „Wenn jemand hinfällt, sind gleich alle da, um einem wieder aufzuhelfen. Das Gefühl der gegenseitigen Unterstützung ist stark.“

Viele haben während der Pandemie angefangen, Skateboarding oder Rollerskating zu lernen. Gerade das Jam Skating, bei dem Bewegungen aus dem Tanz mit dem Fahren auf Rollschuhen verknüpft werden, ist zu einer Trendsportart geworden, auch in Deutschland. Kein Wunder: Als Kontrast zu den Lockdowns und zur Isolation verspricht es Bewegung, frische Luft, Kontakte mit anderen – ohne dabei die Regeln des „social distancing“ missachten zu müssen. Dee, einer der Älteren hier, hat seine eigene Erklärung. „Wenn ich die Rollschuhe anziehe, werde ich zum Superhelden“, sagt er. „Mein Körper kann dann Dinge, zu denen er ohne die Rollen nicht in der Lage ist. Ich kann fast fliegen.“ Abgesehen davon, dass er sich durch die Bewegung fit hält, ist Rollschuhfahren wie Skateboarden ein extrem physischer Sport in einer Zeit, in der sich ein Großteil des Lebens ins Digitale verlagert hat.

Knöchelverstauchung, ausgekugelte Schulter, Knieoperation, gebrochener Arm: Ben zählt einige der Verletzungen auf, die er vom Skateboarden schon davongetragen hat. Für das Gefühl von Nervenkitzel und Freiheit, für die Chance, über die Grenzen des eigenen Körpers hinaus zu wachsen, nimmt er das immer wieder in Kauf. Um auf den Brettern zu stehen, die ihm die Welt bedeuten.

Noch etwas trug während der Pandemie dazu bei, den Sportarten neuen Schwung zu geben: Beide sind von jeher eine Möglichkeit, die eigene Identität auszudrücken; während der Lockdowns, als man sich weder für den Restaurant-, Club- oder Konzertbesuch herausputzen konnte, boten sie eine modische Bühne. Kein Wunder, dass Venice Beach auch deshalb so viele Selbstdarsteller anlockt. Etwas Bühnenlust braucht es außerdem, um seine Skills vor den Augen der Schaulustigen zu beweisen.

Die meisten der Rollschuhfahrer und Skateboarder haben einen auffälligen Stil, kleiden sich ausdrucksstark. Goopy, deren pinke Locken sowieso expressiv sind, überlegt sich genau, was sie anzieht, wenn sie nach Venice Beach kommt. Sie sagt: „Hier wird niemand komisch angeschaut, wenn er oder sie auffällig rumläuft, ganz im Gegenteil.“ Dass sich Mode in Bewegung sowieso schön einfangen lässt, zeigt auch das kunterbunte Fransenkleid, das Stylistin Leonie Volk für diese Fotoproduktion für Goopy ausgewählt hat, und in dessen flatternden Enden sich jede einzelne der Pirouetten der Rollschuhfahrerin auf besonders schöne Art und Weise verfängt.

Rollschuhfahren und Skateboarding feiern über die Grenzen von Venice Beach hinaus derzeit ein modisches Revival. Das ist auch Luxusmarken nicht entgangen – kein Wunder, dass Rollergirl-Retro-Vibes, die an die Siebzigerjahre und an den Disko-Tanzfilm „Saturday Night Fever“ aus dem Jahr 1977 erinnern, derzeit genauso wieder da sind wie die Baggy-Hosen, Hip-Hop- und Skaterwear der Neunziger- und Nullerjahre. So sieht man Rollschuhe etwa bei Bottega Veneta, Skateboards bei Celine, Sneaker und Silhouetten zum Skater-Look unter anderem bei Louis Vuitton. Dass gerade die Baggy-Wear der Skateboarder genderfluid anmutet, trifft den Geschmack der nach 2000 Geborenen, der „Gen Z“. Und dass Skateboarding seit dem vergangenen Jahr auch olympische Disziplin ist, dürfte zusätzlich dazu beigetragen haben, dass die einstige Subkultur längst im modischen Mainstream aufgegangen ist.

Den Szenen rund um Venice Beach spielt das in die Hände – beziehungsweise in die Geldbörsen: Viele Marken, etwa Calvin Klein oder Prada Linea Rossa, gestalten auch ihre Kampagnen rund um die berollten Sportarten. Und suchen, genau wie wir für unsere Modeproduktion, als Models echte, authentische Rollschuh- oder Skateboardfahrer. Weil in Venice Beach fast jeder cool aussieht, ist es gar nicht schwer, passende Gesichter zu finden. Viele derjenigen, die regelmäßig hierherkommen – vor allem die professionellen Skateboarder und Rollschuhfahrer -, konnten in den vergangenen Jahren ihre Leidenschaft monetarisieren. Die Rollerskaterinnen Victoria und Alicia etwa, die für Werbekampagnen und Videoclips im Fernsehen gebucht werden wie auch für Show-Einlagen und Veranstaltungen. Viele von ihnen sind Influencer und können von gesponserten Postings, Modeljobs und Markenkooperationen leben.

„Neulich wurde ich während eines Jobs im Skatepark direkt schon für einen nächsten gecastet“, erzählt die Skateboarderin Marissa, die auf Instagram mehr als 140.000 Follower hat. Wie die Skateboarderinnen Kaiya und Noodee räumt sie mit dem Klischee auf, dass der Sport nichts für Mädchen und Frauen sei – auch wenn sich das erst vor nicht allzu langer Zeit gewandelt hat. Marissa stammt aus einer streng religiösen Familie, in der Mädchen vieles verboten war. Wie durch ein Wunder war ihnen aber das Skateboardfahren gestattet. Gemeinsam mit ihren drei Schwestern (ihre Schwester Lydia ist ebenfalls Teil unserer Geschichte) war das Skateboardfahren für sie damals auch eine Flucht aus dem strengen Elternhaus. „Unter den vielen Jungs waren wir damals eine echte Ausnahme, aber wir hatten immer uns.“

Heute gibt es viele professionell organisierte Gruppen rund um weibliche Skaterinnen, übrigens auch bei den Rollerskatern. Auch schwarze Skater organisieren sich zunehmend. „Skate for Peace“ wurde rund um die BlackLives-Matter-Proteste zur eigenen Bewegung. Bei den Rollerskatern – die eine längere Geschichte haben – fuhren Schwarze und Weiße in den Fünfzigern und Sechzigern noch getrennt. Welchen Anteil die lange marginalisierten schwarzen Rollschuhfahrer an ihrer gemeinsamen Sportkultur hatten, wurde nie ausreichend thematisiert. Heute drehen in Venice Beach alle gemeinsam ihre Runden, in ihrer bunten, klackernden, schwerelosen Welt.

Quelle: F.A.Z. Magazin

Modeshooting in Kalifornien: Meet Me In Venice Beach

Meet Me In Venice Beach

Wir nehmen uns die Freiheit, die kalifornische Sehnsucht ins Bild zu setzen. Ein Modeshooting mit Skatern an einem ikonischen Ort.

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